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Hans Schuhmacher Germanische Frau Germanorumlibertas
28.04.2017, 09:55

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Kapitel 6: Germanorum libertas: Zur Genealogie der Germanenrezeption

Wie kommt es dazu, dass die von mir angesprochenen Aspekte der germanischen Kultur ganz und gar nicht dem zeitgenössischen Germanenbild entsprechen? Ich habe versucht zu zeigen, wie komplex und vielschichtig die Thematik eigentlich ist und muss erneut darauf hinweisen, dass ich hier mehr auf keinen Fall leisten kann. Wenn es mir gelingt, den Gegenstand meiner Arbeit als einer neuen Diskussion würdig herauszuarbeiten, hat sie ihren Zweck erfüllt. Ich befinde mich quasi auf einem Feld zwischen den Gebirgen der Sekundärliteratur und den riesigen Quellenhorten der Disziplinen, die an der Germanenforschung beteiligt sind, auf der einen Seite; auf der anderen erstrecken sich die weiträumigen Gefilde der Anthropologie und die ragenden Gipfel der Erforschung der Denksysteme. Ich spreche aber - nicht zuletzt - zu Laien, die verständlicherweise vor allem die giftigen Dämpfe wahrnehmen, der aus den Sümpfen der rechten Ideologien aufsteigen.

Es dürfte aber deutlich geworden sein, dass auch jenseits meiner provokanten Thesen das Bild germanischer Gesellschaften und mithin der Menschen, aus denen sie bestanden, dem von allen Seiten des öffentlichen Disputs sorgfältig gepflegten Germanenklischee scharf widerspricht.

Wie schon bei anderen Gelegenheiten erinnere ich an Ludwik Flecks These von der "Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache". Sie wird zu einer solchen aufgrund der Kohärenz mit anderen "wissenschaftlichen Tatsachen". In der Arena der Meinungsmacher, Moritatensänger und Mehrheitenbeschaffer gilt dies natürlich umso mehr, da es dort um die Affirmation der Normalität geht, die sich auf "unbestreitbare Tatsachen" und "Objektivität" stützen muss, denn ansonsten wäre sie keine Normalität: die Unnormalen wären nicht automatisch im Unrecht. Dann wäre es problematisch, ihre Pathologisierung und Disziplinierung als "Hilfe" und Dienst am Gemeinwohl zu rechtfertigen und die Macht, die unsichtbar bleiben muss, um zu wirken, würde sichtbar wie die Fäden eines Puppenspielers.

Kohärenz bezüglich "wissenschaftlicher Tatsachen" impliziert zeitliche Abfolge, denn freilich müssen zuerst gewisse "wissenschaftliche Tatsachen" vorhanden sein, um die herum sich dann andere, die älteren stützend, gruppieren. Bisweilen geschieht es aber, dass es zu Umbrüchen kommt, nämlich wenn einige "Tatsachen" durch ihnen widersprechende abgelöst werden. Dann kommt es zu Verschiebungen im gesamten Wahrheitskonstrukt. Dieser fortwährende Kampf um die Neuschreibung der Wahrheit heißt Diskurs und hängt immer mit gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten und Entwicklungen zusammen.

Rückblickend lassen sich gewissermaßen Epochen des Diskurses skizzieren, sozusagen Schnappschüsse, die eine charakteristische Konstellation einfrieren und mit ebenfalls eingefrorenen Szenarien der jeweiligen Gesellschaften im Zusammenhang gesehen werden können. Legt man diese Schnappschüsse nebeneinander, erhält man einen Eindruck ruckartiger Bewegung, der einerseits täuscht, andererseits aber eine Diskussion des Warum und Wieso eines Prozesses ermöglicht, der für die damaligen Teilnehmer freilich ganz anders aussah.

All das möchte ich - allerdings noch wesentlich skizzenhafter - hier bezüglich der Germanen kurz besprechen. Um Ausuferungen zu vermeiden, werde ich mich auf die wichtigsten Erscheinungen im deutschsprachigen Raum beschränken. Ich werde dabei meinem Thema Aufmerksamkeit widmen: warum ist "Hermann der Cherusker" so bekannt (als heroischer Befreier, als Kriegermacho, als militaristischer Prototyp, als Held, als Schurke, als Germanennazi) und nicht die Suebinnen, Gotinnen und Fränkinnen, von denen ich hier spreche? Wer dieses Projekt kennt und mitverfolgt hat, wird bereits folgenden Verdacht hegen: weil die Suebinnen, Gotinnen und Fränkinnen Misstöne bei der Kohärenzbildung hervorrufen und daher in der Versenkung verschwinden müssen. Wir werden sehen.

Leiten lassen möchte ich mich aber vom folgenschwersten Satz des Tacitus. Er lautet: "Nicht der Samnite, nicht der Punier, nicht die spanischen oder gallischen Lande, ja nicht einmal die Parther machten öfter von sich reden: stärker noch als die Königsmacht des Arsakes ist das Freiheitsstreben der Germanen (Germanorum libertas)." (1) Er steht inmitten einer Passage, die von den Niederlagen Roms gegen sie handelt und liefert quasi Tacitus´ Antwort auf die Frage: warum schlägt man die Germanen nicht?

Ich habe im Kapitel über die taciteische Zeit aufgezeigt, dass Tacitus´ gesamte Darstellung sich um diese Frage und diese Antwort dreht. Wir müssen scharf trennen zwischen den Gründen, warum Rom "die Germanen" nicht schlug (und mit denen wir uns hier nicht beschäftigen müssen), und dem, was Tacitus seinem Publikum sagte.


Fußnoten:

(1)Tacitus, de origine et situ Germanorum liber, 37

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