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Kuehne Spicer ORD Kap 4
28.04.2017, 09:55

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Der Odinic Rite Deutschland - Neuheidentum im Spannungsfeld neurechter Religiosität

von Berna Kühne-Spicer
- Alle Rechte beim Autor -

4. Die inhaltlichen Grundlagen des ORD

Der Odinic Rite Deutschland veröffentlicht auf seinen Internetseiten Texte, die offensichtlich das theoretische Fundament der Organisation darstellen. An Hand dieser "Grundlagen des ORD" soll nun festgestellt werden, welche tiefergehenden Inhalte von der Organisation vertreten werden und ob eventuell eine weltanschauliche Tendenz erkennbar ist.
Die im Folgenden zitierten und von mir kommentierten Passagen sind - soweit nicht andere Quellen angegeben sind - Auszüge aus diesen "Grundlagen des ORD":

(Quelle: http://www.odinic-rite.de/index.php?id=32)

"Das traditionelle germanische Heidentum ist die indigene (eingeborene) Naturreligion der germanischen Völker Nord- und Mitteleuropas, die sich aus den religiösen Erfahrungen hier heimischer Menschen in Einklang mit der Natur ihres Landes organisch entwickelt hat. Als Naturreligion beruht es auf der Heiligkeit der Natur, als indigene Religion auf der Verwandtschaft zwischen der heimischen Natur, den Gottheiten, die in ihr sind, und den Menschen, die ihr angehören."

Der ORD steht also für eine Naturreligion, die an die "heimische Natur", die "Gottheiten, die in ihr sind", und die "Menschen, die ihr angehören" gebunden ist. Wir erinnern uns an die 4. der in die Punkt 2. aufgelisteten Grundideen der völkischen Ideologie: "Die Identität eines "Volkes" ist an Körper (Menschen), Charakter (Kultur) und Territorium (Siedlungsgebiet) gebunden." Das ist hier der Fall.

Weiter heißt es an derselben Stelle:

"Da die Natur und somit auch die Götter in ihr vielfältig und überall anders sind, lehnen wir Ansprüche auf universale Gültigkeit ab und vertreten das gleiche Recht aller Menschen auf ihre eigene Religion."

Hier deutet sich ein Werteverständnis an, bei dem die Menschen nicht nur das Recht auf "ihre eigenen Religion" haben, sondern wohl vorzugsweise auch bei "ihrer eigenen Religion" bleiben sollten.

"Jedes Land, zumindest jeder ökologische Großraum, hat seine eigenen Götter. Sie sind in der Natur ihres Landes und mit ihm und den Wesen, die aus ihm hervorgehen, untrennbar verbunden. Daher sind alle heidnischen Religionen an ihre Länder und Völker gebunden und konkurrieren nicht."

Sie konkurrieren also nicht. Doch die hier verwendete biologistische Sprache legt die Vorstellung nahe, dass die verschiedenen heidnischen Religionen jeweils außerhalb ihres "ökologischen Großraums" und ihrer "Völker" auch nichts zu suchen haben, und lädt zu gedanklichen Assoziationen wie dem ökologischen Phänomen der "invasiven Arten" ein. Es wäre sicher übertrieben, ein solches Konzept als "religiöse Apartheid" zu verstehen - ganz fern liegt es dieser Etikettierung jedoch nicht.

"Die Götter eines Landes sind auch in den Wesen, die ihm angehören: den Pflanzen, Tieren und natürlich auch Menschen, die aus ihm stammen und durch viele Generationen, die aus der Erde ihres Landes hervorgingen und wieder in sie zurückkehrten, mit ihrem Land und seinen Göttern verwandt sind. Die Kette der Vorfahren, die uns mit unserem Ursprung in der Natur verbindet, ist auch unser natürliches, von Geburt an bestehendes und unzerreißbares Band zu den Göttern, die in ihr sind. Was uns mit den Göttern verbindet, ist kein subjektiver Glaube, sondern ein objektives Sippenband: Wir sind Angehörige, Verwandte unserer Götter."
[...]
"Da alle Menschen mit ihren je eigenen Göttern verwandt sind, ist diese Verwandtschaft kein Privileg. Sie begründet aber ein exklusives, nicht austauschbares Verhältnis zu den eigenen Göttern und der Natur des Landes, der sie und wir angehören."

Die biologistische Argumentation verstärkt sich: Götter sind an Menschen, die das Land seit Generationen bewohnen, durch ein "unzerreißbares" Sippenband gebunden. In dieser Passage wird eine quasi naturbedingte Verwandtschaft mit Land und Göttern beschrieben, die es Menschen mit anderer geographischer Herkunft nachgerade unmöglich machen muss, diese Religion sinnvoll für sich in Anspruch zu nehmen. Zwar räumt der ORD laut der in Kapitel 3. zitierten Selbstbeschreibung der Organisation die Aufnahme in eine solche Verwandtschaft zwar formal ein, doch scheint das hier dargelegte Weltbild einen solchen Vorgang doch als etwas "Unnatürliches" zu begreifen. Denn die heilige Natur hat den betreffenden Menschen ja eigentlich für ein anderes Land, eine andere Generationsfolge und also auch für eine andere Religion und Götterwelt vorgesehen - und das Verhältnis zu diesen ist, so wird betont, "nicht austauschbar".

Die Bindung an Sippe, Region und Natur bereitet dann auch den Nährboden für eine Binnenethik, die in Verwandtschaftsbeziehungen ausgedrückt wird:

"Die Sippentreue unsererseits gilt nicht nur den Göttern, sondern allen Wesen, die durch gemeinsame Herkunft aus unserem Land mit uns verwandt sind. Nach unserer Überzeugung dürfen wir unser Land und seine Pflanzen und Tiere ebenso wenig ausbeuten und sinnlos schädigen wie seine Menschen."

Der Grundsatz, nicht auszubeuten oder sinnlos Schaden zuzufügen, gilt explizit für das eigene Land und "Wesen gemeinsamer Herkunft". Das weiter oben erkennbar gewordene biologistische Grundkonzept führt dabei zu einer interessanten Konsequenz, welche durch die hier erfolgte Betonung der Sippe noch unterstrichen wird: Alle anderen Länder und Wesen sind in diesem ethischen Zusammenhang von geringerem Status. Das biologische Band gilt dort, wo es geknüpft ist. Als vages Argument für den hier formulierten ethischen Anspruch gilt eine Kombination von mythischen und biologistischen Vorstellungen, und es wird nicht klar, wie weit daraus jenseits der Binnenethik auch mäßigende universale ethische Ansprüche abgeleitet werden. Solche Passagen wecken bei einem sensiblen Leser ungute Erinnerungen: Der feste Glaube an den Vorrang der Interessen des eigenen Volkes enthemmte die Deutschen des Dritten Reiches ganz erheblich, sobald sie die Grenzen Deutschlands hinter sich wussten und/oder es mit "Nicht-Deutschen" zu tun hatten. Mit der Unterscheidung in "wir" (die "Sippe") und "die" (die "anderen") ist der Grundstein gelegt für ein Denken, das von ORD-Mitglied Stilkam an anderer Stelle noch klarer postuliert wurde:

"Jenseits der Sippengrenzen beginnt (sinngemäß) Feindesland, ist jeder potentiell Feind und man muß sich mittels Verträge u.ä. absichern."

(Quelle: http://forum.rabenclan.de/showtopic.php?threadid=996)

Doch zurück zu den "Grundlagen des ORD":

"Wir halten es deshalb für am besten, der Tradition unserer eingeborenen Ahnen zu folgen, [...] sie von fremden Einflüssen frei zu halten, authentisch fortzusetzen und aus ihrem eigenen Geist sinngetreu weiter zu entwickeln. Wir lehnen sowohl eine Vermischung mit Traditionen, die einer anderen Natur angehören [...] ab und üben das germanische Heidentum unverfälscht und vollständig aus."

Die Hinweise häufen sich jetzt doch erheblich. Kulturelle Reinheitsrezepte, ohnehin Bestandteil in rechtsradikalem Gedankengut, finden gerade in ihrer biologistischen Begründungsvariante regelmäßig Anwendung sowohl in den sogenannten "ethnopluralistischen" Konzepten als auch in völkischen Argumentationen im Neuheidentum. Interessant ist dabei auch die hier verwendete Formulierung "Traditionen, die einer anderen Natur angehören". Sie impliziert einen Plural an verschiedenen "Naturen". Und natürlich (sic!) sollte der Mensch nicht zusammenführen, was "von Natur aus" getrennt ist.

Vergleicht man die Motive und Argumentationsmuster, die ich in Kapitel 2. für das völkische Denken von neuheidnischen Gruppen als zentral skizziert habe, mit den hier verwendeten, so wird deutlich, dass trotz verbaler Abgrenzung die Unterschiede kaum mehr als verschwommen auszumachen sind. Das Konzept des ORD, religiöse Auffassung und Ethik an eine mythologisch überhöhte, aber klar eingegrenzte Natur zu binden und per geographischer und ethnischer Regionalisierung restriktiv zu definieren, impliziert die Forderung nach liebevoller Pflege eines mehr oder weniger "uralt" überlieferten und vor allem "naturbedingten" Brauchtums. Der biologistische Hintergrund erlaubt es, hier einen deutlichen Unterschied zum klassisch konservativen Impuls der Traditionspflege festzustellen. Begriffe wie "Artenschutz" und "Artenpflege" kommen einem in den Sinn.

Von einer "Tradition unserer eingeborenen Ahnen" ist überdies die Rede. Dazu sei kurz angemerkt, dass bezüglich "der Germanen" die hier vorausgesetzte kontinuierliche Traditionsüberlieferung gar nicht gegeben ist. Zum einen, weil es bei "den Germanen" keinen biologisch eingrenzbaren Religionsbegriff gab, zum anderen, weil die damaligen Kulturen und somit die Traditionen nicht klar voneinander abgegrenzt, sondern vielfach durchmischt waren, und nicht zuletzt auch, weil die teilweise gravierenden Brüche in der europäischen Geschichte eine kontinuierliche Überlieferung weitestgehend unmöglich machten.

Die auf das Bekenntnis zur angeblich unverfälschten Tradition folgende Relativierung

"Nicht im Widerspruch dazu steht es, die Gottheiten und Rituale anderer Länder und Völker zu achten und von verwandten naturreligiösen Traditionen auch zu lernen."

ist zwar vermutlich gut gemeint, verrät aber durch ihre Einschränkung auch hier das Konzept der Reinheit: Lernen ist nur von "verwandten Traditionen" (und damit von "verwandten Völkern") möglich. Kulturelle Übernahmen von allen anderen sind aber tendenziell eher unerwünscht. Man versucht hier, einen toleranten Eindruck zu erwecken, der aber bei näherem Hinsehen nicht über die völkisch-restriktive Denkweise hinwegtäuschen kann. Großzügig stellt man es

"seinen Mitgliedern frei, ob sie in ihre persönlichen Religiosität auch Elemente anderer Traditionen mit einbeziehen wollen,"

Eine recht hilflose Bemerkung angesichts der grassierenden "Kaufhausmentalität" in der Esoterikszene. Es wäre ja ohnehin nicht ohne Weiteres möglich, das Privatleben der Mitglieder in diesem Zusammenhang zu kontrollieren. So macht man aus der Not eine Tugend und nennt das Ganze "freies Heidentum".

"Das germanische Heidentum besitzt keine dogmatischen Gebote und Verbote, aber eine klare Ethik, die auf den Grundsätzen der Ehre und gegenseitigen Treue beruht und ihren Ursprung in der Verwandtschaft mit den Göttern hat."

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, wie regelmäßig die ganze Zeit Statements für "das germanische Heidentum" abgegeben werden, obwohl es sich in Wahrheit stets nur um die vom ORD vertretene Variante davon handelt - eine biologistische und an völkische Konzeptionen erinnernde Variante nämlich, Dementi hin oder her. Denn welcher Art die hier postulierte "dogmenlose" Ethik tatsächlich ist, darüber dürfte inzwischen kein Zweifel mehr bestehen.

"Sie verpflichtet uns zu ehrenvollem Handeln nach dem Prinzip, niemandem ohne Notwendigkeit zu schaden, und ermutigt dazu, durch darüber hinaus gehende Verdienste weitere Ehre zu erwerben. Die Treue unterscheidet sich in Sippentreue, die unbedingt gilt, und frei vereinbarte Treue zwischen Nichtverwandten, die an Bedingungen geknüpft ist und nur bei beidseitiger Einhaltung gilt."

Man beachte: Die Binnenethik wird hier nicht als Gegenstück zu einer universalen Ethik betrachtet, sondern als einzige Perspektive, nach der gehandelt wird. Treue im Sinne von ehrenvollem Handeln ist nur innerhalb der Sippe bedingungslos erforderlich. Außerhalb ist sie "an Bedingungen geknüpft", also nicht selbstverständlich. Sie wird dann frei verhandelt, und es steht letztendlich in der Verfügungsmacht der Sippe, ob ethische Grundsätze für Fremde überhaupt gelten. Denn nicht mit jedem muss man verhandeln - aus den verschiedensten Gründen. Hier zeigt sich eine Ideologie der willkürlichen Verfügbarkeit von Ethik, die nur allzu deutlich an Nietzsches Herrenmenschentum erinnert und mit faschistischen Moralkonzeptionen bemerkenswerte Überschneidungen aufweist. Siehe auch hierzu wieder das weiter oben angeführte Zitat "Jenseits der Sippengrenzen ..." von Stilkam.

Zum Abschluss wird in den Grundlagentexten des ORD noch auf das Thema Demokratie eingegangen.

"Die Demokratie ist in der heidnischen Ethik und in der germanischen Thing-Tradition fest verankert. Wir bekennen uns vorbehaltlos zu ihr, lehnen jeden Totalitarismus ab und treten Missdeutungen des germanischen Heidentums, die unfreien Tendenzen Vorschub leisten, entschieden entgegen."

Das kann angesichts der zuvor dargelegten "religiösen" Grundlagen und der eingangs hier beschriebenen Verquickung von neugermanischem Heidentum und Rechtsextremismus eigentlich nur ein Lippenbekenntnis oder doch wenigstens ein Beispiel unglaublicher politischer Naivität sein. Denn die in den Grundlagen des ORD formulierte Weltanschauung leistet unfreien Tendenzen sehr wohl Vorschub, und zwar schon vom Ansatz her. Zugunsten des ursprünglichen germanischen Heidentums soll hier angenommen werden, dass es sich tatsächlich um eine Missdeutung desselben handelt, wenn - wie hier der Fall - die Gültigkeit ethischer Grundsätze von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Menschengruppe abhängig gemacht wird. Die ethnisch begründete Einschränkung der Möglichkeit kulturellen Austausches erscheint im Vergleich dazu schon fast als Lappalie.


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