Das Internet-Magazin des Rabenclans
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Nackt und Schmutzig
"In jedem Haus wachsen (die Kinder) nackt und schmutzig heran zu solchen Gliedmaßen und solchen Körpern, die wir bewundern." ( Cornelius Tacitus (ca. 55 u. Z. - ca. 120 u.Z. ): Germania)
Ein bemerkenswertes Zitat. Ist Tacitus da etwa das Klischee vom "Nackten Wilden" durchgegangen? Sicher nicht!
Er war nämlich ein scharfer Kritiker der gesellschaftlichen Verhältnisse der Roms seiner Zeit. Von da her ist stark zu vermuten, dass das von ihm gezeichnete Germanenbild da und dort idealisierend verzerrt ist - ein Loblied auf die kernigen, urwüchsigen, unverdorbenen Germanen als Kontrast zu den dekadenten Römern. Von daher ist dieses Zitat wahrscheinlich nicht abwertend gemeint, wofür ja auch seine Bewunderung für die robusten Körper der Germanen spricht.
"Schmutzig" klingt abwertend. Andererseits lobt Tacitus mehrmals ausdrücklich die Reinlichkeit der Germanen. Kein Widerspruch, denn "schmutzig" heißt nicht zwangsläufig "ungepflegt". Wahrscheinlich meint Tacitus, dass sich die Germanen-Kinder schmutzig machen durften, aber sehr wohl täglich gewaschen wurden. Möglicherweise ein Seitenhieb auf das übertriebene Reinlichkeitsbewusstsein der römischen Oberschicht, deren Kinder "natürlich" nicht im Dreck herumspielen durften. Tacitus behauptete also, dass die gute körperliche Verfassung der Germanen etwas damit zu tun hätte, dass die Germanen ihre Kinder "nackt und schmutzig" aufwachsen ließen. Ist an dieser Behauptung etwas dran? Mit Sicherheit übertrieb Tacitus. Wir wissen heute aus archäologischen Untersuchungen, dass der Gesundheitszustand der "alten Germanen" keineswegs durchweg so gut war, wie er es darstellt. Allerdings deuten im Skelett nachweisbare, aber überlebte, Krankheiten und Verletzungen tatsächlich auf eine robuste Grundkonstitution hin. Dass die Germanen im Durchschnitt tatsächlich größer als die Mittelmeeranwohner waren (weshalb Tacitus und andere römische Autoren ihnen übertreibend einen durchweg prächtigen Körperbau nachsagten) hatte allerdings genetische Gründe. Tacitus wird "nackt aufwachsen" wohl kaum wörtlich gemeint haben, denn dass nördlich der Alpen der Winter lang und kalt sei, war in Rom ein gängiges und weitgehend tatsachenresistentes Klischee. Die kleinen Germanen waren nackt, wenn es warm genug war - so, wie auch die kleinen Römer in den von Tacitus gepriesenen "guten alten Zeiten", als Rom noch eine kleine Stadtrepublik war, oft nackt und fast immer barfuss herumliefen.
Tun wir Eltern des frühen 21. Jahrhunderts herkömmlicher Zeitrechnung der Gesundheit unserer Kindern etwas Gutes, wenn wir sie wie die "alten Germanen" nackt und schmutzig aufwachsen lassen? Als Mutter meine ich: Ja!
Nackt
Übertrieben gesagt bin ich nackt aufgewachsen. Bei meinen beiden Kindern halte ich nach meiner guten Kindheitserfahrung ebenso. Das heißt, sie dürfen, wenn es warm genug ist, im Haus und im Garten nackt herumtollen. Ich lasse meine Jungs grundsätzlich nackt schwimmen und platschen. Nicht nur im Urlaub oder am Wochenende an der Ostsee am FKK-Strand, sondern auch an der örtlichen Badestelle, wo Nacktbaden eigentlich nicht erlaubt ist, aber kleine Nackedeis den Göttern sei dank immer noch geduldet werden.
Abhärtung ist für die gesunde Entwicklung wichtig, solange sie nicht in Härtemaßnahmen ausartet. So bekommt Sauna meinen Söhnen außerordentlich gut. "Luftbäder" durch nacktes Herumtoben auch in etwas kühlerer Luft härten ab, man muss aber darauf achten, dass sich die Kinder dabei nicht zu sehr auskühlen, was sie selbst im Eifer der Spiels nicht immer merken. Badekleidung ist meiner Meinung nach nicht nur überflüssig, sondern speziell für Kinder ungesund. Dass nasse Badekleidung nach dem Baden sofort ausgezogen werden soll, weil die örtliche Unterkühlung durch Verdunstungskälte Blaseninfektionen, Nierenerkrankungen und ähnliches nach sich ziehen kann, steht in jedem Gesundheitsratgeber. Erst gar keine Badekleidung anzuziehen ist da nur logisch. Vor allem, weil Kinder nicht einfach ein paar Bahnen schwimmen und dann aus dem Wasser steigen, sondern gern am Wasser platschen, kurz hineinrennen, wieder rauskommen, so dass die armen "Badehosenkinder" eigentlich immer einen feuchten kalten Lappen anhaben. Hinzu kommt, dass Badekleidung ziemlich eng anliegt und aus synthetischem Material besteht. Darunter schwitz man stark. Wenn dann noch am Strand jede Menge Sandkörner eingefangen werden - Kinder wühlen nun mal gern im Sand - dann sind wunde Stellen in der Leistenbeuge und am Po kein Wunder. Zu allem Überfluss enthält Badekleidung sehr viele gesundheitsschädliche Rückstände (wie eine Untersuchung von "Ökotest" ergab), die wir gerade unseren Kindern ersparen sollten.
Wichtiger als die rein körperlichen Gesundheitseffekte sind die psychologischen: Das "christliche Abendland" ist eine ungemein verklemmte Zivilisation. In den besonders prüden USA scheinen wichtige "Meinungsmacher" sogar der Ansicht zu sein, dass Nacktheit und Sex gleichbedeutend sind, was zu grotesken Fehleinschätzungen führt. Dort musste ja schon die Fahrroute eines Schulbusses geändert werden, damit sich ein 10-jähriges Mädchen von einer Kopie von Michelangelos David nicht mehr sexuell belästigt fühlte. (Nebenbei: in keiner Industrienation der westlichen Welt werden so viele Mädchen unter 18 Jahren schwanger wie in den "züchtigen" USA.) Leider haben diese verklemmten Ami-Typen auch in Europa allzu gelehrige Schüler. Über die Motive kann ich nur spekulieren. Sie dürften im Machtbereich zu suchen sein, denn die Angst vor der Nacktheit gehört zum klassischen Unterdrückungsinstrumentarium männerrechtlicher Systeme, inklusive des (herkömmlichen) Christentums.
Viele Erwachsene finden kleine Nackedeis, die ruhig und brav im Sand spielen, niedlich, aber begeistert und jauchzend herumtobende kleine nackte Jünger des Dionysos, von Freya und Frey oder anderer Götter der Ekstase, ängstigen sie. Dabei sind es gerade diese vital-orgiastischen (keineswegs im üblichen Sinne "sexuelle") Erfahrungen, die dem Kind für sein ganzes Leben ein Gefühl der spannungslosen Einheit und Vertrautheit mit seinem Köper geben. Dieser nackte Heidenspaß wirkt der katastrophalen Spaltung von Bewusstsein und Körper entgegen, die unter anderem auch zu psychosomatischen Krankheiten führt. Nach aller Erfahrung ist das kindliche Erlebnis einer unbefangenen, freudigen Nacktheit die beste Vorbeugung gegen die unglückselige "christlich-abendländische" Alternative: unbeherrschte Lüsternheit oder angstvolle Verdrängung. (Ja, ich weiß, es gibt jede Menge Nudisten, die in Wirklichkeit ganz schön verklemmt sind. Sie sind es wohl genau aus dieser Angst vor der sinnlichen Freude am eigenen Köper heraus, weil sie diese Freude mit Sex verwechseln und zu allem Überfluss Sex fälschlich für etwas "Schmutziges" halten.) Immerhin: Das Kinder, für die der Anblick nackter Körper etwas Normales ist, sich als Erwachsene weniger an Nacktfotos aufgeilen oder sich als Spanner betätigen, als die, für die Nacktheit tabu war, leuchtet ein. Ebenso, dass Naturistenkinder ein realistisches Körperbild erhalten und nicht darunter leiden, nicht wie ein Supermodel oder wie ein Filmstar auszusehen, wie so viele junge Menschen. Nicht zuletzt wird jemand, der seinen Körper akzeptiert, auch mehr für den Körper tun.
Viele Eltern lassen ihre Kinder aus Angst vor Sexualstraftätern nicht mehr nackt am Strand plantschen. Obwohl es mehr als unwahrscheinlich ist, dass da irgendwo ein Spanner mit Fernglas im Gebüsch sitzt oder dass ein Badegast in Anwesenheit der Eltern und zahlreicher Zeugen auf dreckige Gedanken kommt. Besonders zornig werde ich, wenn ich von Eltern höre, sie hätten Angst als "Kindesmissbraucher" denunziert zu werden, wenn ihre Kinder im Kindergarten und Schule von ihren Nackterlebnissen erzählen. Tatsächlich ist es so, dass Naturismus Kinder eher davor schützt, Opfer sexueller Kindesmisshandlungen zu werden. (Ich hasse den Begriff:"sexueller Kindesmissbrauch". Als ob es einen korrekten sexuellen Gebrauch von Kindern gäbe!) Körperscham schützt das "üble Geheimnis" des Täters. Wenn jemand versucht, sich einem an Nacktheit gewöhnten Kind sexuell zu nähern, wird es eher davon erzählen, als ein Kind, für das das Gebiet zwischen den Beinen eine "Pfui!-Zone" ist, über die man nicht spricht.
Hin und wieder höre ich den Spruch: "Ist das nicht gefährlich, die Kinder nackt und ungeschützt in die Sonne zu lassen?" Meine Antwort: Mit Badehosen wären sie auch nicht besser, vielleicht sogar schlechter geschützt! Knappe Badebekleidung ist als UV-Schutz nur wirklich nicht zu gebrauchen. Wirksamer textiler Sonnenschutz, z. B. für die grelle Mittagsonne, sieht anders aus, etwa ein weiter, langärmliger Strandkittel oder ein Poncho im mexikanischen Stil. Der Sonnenhut dazu ist ein Muss, das Höschen drunter eher überflüssig. Leider ist die Aufklärung über Gesundheitsgefahren durch Sonne, die ja wirklich gefährlich werden kann, besonders für hellhäutige Kinder, nach und nach zur Panikmache verkommen. (Geradezu geschmacklos: die Kampagien der "Deutschen Krebshilfe".) Dabei ist Sonne, vernünftig "angewendet", sehr wohl gesundheitsfördernd. Über die wahren Motive für diese Angstmache kann ich wieder nur spekulieren.
Schmutzig
Wie oben erwähnt, heißt "schmutzig" nicht "ungepflegt". Wozu gibt es Duschen und Badewannen? Mittlerweile ist es wissenschaftlich gesichert, und meine eigenen wie die Erfahrungen vieler Freunde und Bekannte sprechen auch dafür: Kinder, die öfter mal herzhaft im Dreck spielen dürfen, entwickeln bessere Abwehrkräfte als Kinder, die das nicht dürfen und deren Umgebung ständig gesäubert und desinfiziert wird.
Vor der Wiedervereinigung litten Kinder in Ostdeutschland seltener an Allergien als ihre Altersgenossen im Westen. Der Grund: Fast alle Kleinkinder in der DDR besuchten Kinderkrippen, machten deshalb mehr banale Kinderkrankheiten durch und ihr Immunsystem entwickelte sich deshalb besser. Man achtete in den Krippen und Kindertagesstätten sehr auf Sauberkeit, aber es gab dort keine der im Westen heftig beworbenen desinfizierenden "Wunderreinigungsmittel", die außer den "gefährlichen Krankheitserregern" auch die normale Bakterienflora vernichten und außerdem üble Chemiecocktails sind. Kinder, die auf Bauernhöfen unter Tieren groß werden, entwickeln praktisch nie allergisches Asthma und nur selten Heuschnupfen, obwohl sie weitaus mehr Pollen ausgesetzt sind als Stadtkinder. Wahrscheinlich spielen sie auch häufiger im Dreck. "Dreck" ist natürlich nicht gleich "Dreck". Straßenschmutz z. B. sollten Kinder meiden, und verschmutzte Sandkisten auf Kinderspielplätzen sind auch nicht eben gesundheitsfördernd. Sich mit Erde, Schlamm und anderer vermeintlich "dreckiger" Naturboden schmutzig zu machen, tut den Kindern nur gut. Auch spirituell, wenn sie das Element Erde unmittelbar erleben dürfen. Das optimale sinnliche Erlebnis schafft die Mischung aus den Elementen Erde und Wasser, nämlich Matsch. Egal, ob am Strand in der matschigen Uferzone, in Pfützen nach einem kräftigen Regen, auf einem durchweichten Rasen oder in einem extra angerichteten Matschbad - Kinder vergessen das schönste Spielzeug, wenn sie sich nach Herzenslust suhlen können. Nacktheit ist dabei doppelt zweckmäßig, weil sie dass sinnliche Vergnügen steigert und weil auch ich ungern Berge stark verschmutzter Wäsche wasche. Unsere "Schweinchensuhle" im Hintergarten mit Gartendusche gleich daneben ist im Sommer die Attraktion bei unseren Kindern und ihren Freunden aus der Nachbarschaft. Weil die Nachbarskinder dank der Dusche wunderbar sauber nach Hause kommen und ihre Sommersachen nicht schmutzig machen, da sie sie beim Wühlen nicht an haben, sind auch anfangs skeptische Eltern von unserem "Schlammbad" begeistert.
Stillen
Tacitus schrieb: "Die Mutter nährt ein jedes an der eigenen Brust, und man überlässt sie nicht Mägden oder Ammen." Bei den reichen Römern seiner Zeit stillten die Mütter ihre Kinder ungern selber. Auch wurden in Rom die Säuglinge relativ früh abgestillt, in der Folge gab es gerade in den "besseren Kreisen" viele dahinkümmernde und schwächliche Kinder.
Stillen ist die natürlichste und beste Ernährung für das Neugeborene. Keine noch so perfekte Säuglingsnahrung kommt der Muttermilch gleich. Gestillte Kinder haben nachweisbar viel weniger Allergien als Flaschenkinder, entwickeln sich schneller und sind seltener krank. Möglicherweise werden sie auch intelligenter. Der intensive innige Körperkontakt tut der seelischen Entwicklung der Kleinen gut und bringt auch der stillenden Mutter Spaß, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ich habe meine Söhne jeweils ein Jahr lang gestillt, andere Mütter aus meinem Freundeskreis noch länger, bis zu drei Jahren. Mein nächstes Kind werde ich so lange Stillen wie möglich. Wenn es mit dem Stillen nicht so klappen will, kann man mit milchfördernden Tees nachhelfen. Wichtig ist, dass die stillende Mutter sehr viel Flüssigkeit zu sich nimmt und sich gesund ernährt. Denke daran: Die viel gefürchteten "Giftrückstände in der Muttermilch" stammen aus dem, was Du vorher gegessen, getrunken und vielleicht geraucht hast! Ganz große Vorsicht bei Medikamenten während der Stillzeit, auch bei "harmlosen" Kräutermitteln besser den Kinderarzt fragen. Vorsicht auch mit scharf gewürzten Sachen und Genussmitteln - es geht alles in Deine Mich!
Stillen in das Natürlichste auf der Welt. Wenn sich irgendwelche prüden Zeitgenossen oder verklemmte Berufschristen sich darüber aufregen, wenn eine Mutter ihr Kind öffentlich stillt, dann ist das deren (psychologisches) Problem. Jede Mutter soll ihr Kind stillen können, wann und wo sie es für richtig hält.
Möge Freya Eure Kinder segnen!
Lif Vikingdotter (Inger Sveinsson), in Absprache mit der Autorin leicht bearbeitet von Martin Marheinecke. << Durch den Wald (im Bilder reich) | Liste Nach Autoren | Der ARUN-Verlag >>