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Hans Schuhmacher Walkueren Die Quelle
28.04.2017, 09:55

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Óskmejyar

Erster Teil

Die Walküren in der Helgaquiða Hundingsbana I

Die Quelle: Helgaquiða Hundingsbana I

Bevor ich mich der Besprechung der Walküren in der genannten Quelle zuwenden kann, sind einige quellenkritische Erörterungen unabdingbar. Es ist aber davon auszugehen, dass zumindest ein Teil der geschätzten Leserschaft nicht nur weitgehend unvertraut mit den Schwierigkeiten ist, denen man dabei zwangsläufig begegnet, sondern auch die betreffenden Texte überhaupt nicht kennt. Im deutschsprachigen Raum sind hauptsächlich die Simrock' sche und die Genzmer' sche Übersetzung der Älteren Edda verbreitet, über deren Qualität man geteilter Meinung sein kann. Insbesondere erlauben diese Übersetzungen, zumal wenn sie für sich allein stehen, recht hemmungslose, abenteuerliche Interpretationen, wie am deutlichsten Geza von Nemenyi(1) demonstriert. Zur Notwendigkeit der Erörterung des Kontexts kommt also allemal ein Rückgriff auf den altnordischen Originaltext(2) als notwendige Aufgabe hinzu.

Auf der anderen Seite kann aber ein Text, der sich gerade nicht an ein Fachpublikum von Skandinavisten und Historikern wendet, deren Kenntnisse beim Leser nicht voraussetzen. Um den Text in erträglicher Länge und die Erörterung für Laien und Neueinsteiger nachvollziehbar zu halten, werde ich vielerorts verkürzen und verallgemeinern müssen - womit ich die Kritik der benannten Fachleute auf mich zöge, würden diese nicht ohnehin alles ignorieren, was außerhalb ihrer eigenen Kreise publiziert wird. Den Luxus, mich über die Inkompetenz der Laien zu belustigen, ohne Anstalten zu machen, ihm abzuhelfen(3), genieße ich im Rahmen dieses Projekts nicht.

Dankenswerterweise hat das Projekt Gutenberg immerhin die Simrock' sche Versübersetzung der Älteren Edda online zur Verfügung gestellt, nämlich hier:

http://gutenberg.spiegel.de/simrock/edda/edda.htm#TOC

Dies erspart der geschätzten Leserschaft die Peinlichkeit, vor Besuchern eine Edda-Ausgabe in der Wohnung erklären zu müssen. Die Lektüre ist jedoch nicht besonders erbaulich, wenn man keine Freude daran hat, sich den Versuchen eines Sprachwissenschaftlers des 19. Jahrhunderts auszusetzen, "archaisch" zu klingen. Ich werde daher zuerst den Handlungsverlauf der Helgaquiða Hundingsbana I hier wiedergeben und kommentieren.

Das Schicksal eines Helden

In der Altvorderenzeit gebiert Borghildr den Helgi. Als es Nacht ist im Haus(4), kommen Nornen, um ihm sein Schicksal(5) zu prophezeien. Er soll der trefflichste und berühmteste der Fürsten werden, bestimmen sie.(6) Sie spannen seine Schicksalsfäden weithin über das Land und schnüren sie mit solcher Kraft, dass davon Festungen zerbrechen.(7) Ein Rabe verkündet einem anderen freudig, dass die Zeit der großen Festmähler jetzt gekommen sei: Ein Sohn Sigmunds des Wölsungen stünde im Panzer, der Freund der Wölfe. Sigmund selbst eilt herbei, um die Geburt seines Sohnes zu feiern und ihm glückverheißende Geschenke zu machen. Helgi wächst heran.

Wie auch die Helgaquiða Hundingsbana II macht dieses Eddalied Helgi zum Wölsungen, zum Bruder Sinfjotlis und mithin zum Verwandten Sigurðrs/"Siegfrieds". Die grausige und farbenprächtige Geschichte der Wölsungen war zweifellos das bekannteste Epos des germanischen Altertums. Ein wichtiger Bestandteil dieses Epos war die Fehde zwischen den Wölsungen/Ylfingern, also "Wolfssöhnen", mit den Nachkommen Hundings, gewissermaßen des "Hundesohns" - die Silbe "-ing" verweist grundsätzlich auf Nachfahren, und der Ahn von Hundings Geschlecht war also nicht er selbst, sondern ein "Hundr"(8). Beide Verbände gehören also (wie die Hasdingen bei den Vandalen oder die Merowinger bei den Franken) zu denjenigen, die sich auf einen berühmten Ahnen zurückführen. Dieser Ahn musste nicht notwendigerweise ein Mensch sein, sondern war in der Regel ein mythisches Wesen.

Als er fünfzehn Winter alt ist, erschlägt Helgi den Hunding - worüber wir in diesem Eddalied weiter nichts erfahren. Es heißt Helgaquiða Hundingsbana, also das Lied von Helgi, dem Hundingstöter, aber dieser Akt wird in einer einzigen Strophe mehr erwähnt als geschildert. Offenbar wurde beim Hörer die Kenntnis dieser Geschichte vorausgesetzt. Das ist ärgerlich, denn immerhin galt Hunding seinerseits als derjenige, der Sigmund den Wölsung erschlagen hatte. Für den heutigen Leser der Helgaquiða Hundingsbana I ist der gesamte Konflikt, der Helgi eigentlich motiviert, nicht nachzuvollziehen. Entgegen anderslautenden Ansichten, die man heutzutage hören und lesen kann, ging man im germanischen Altertum nicht ohne weiteres hin und erschlug jemanden. Diese Schweigsamkeit der Quellen dürfte auch der Grund sein, warum beispielsweise Hunding in modernen Nacherzählungen (z.B. Stephen Grundys Rhinegold) eine so derart negativ gezeichnete Figur ist. Ich werde im Folgenden noch kurz zeigen, warum eine solche Charakterisierung Hundings völlig unangemessen ist.
Allgemein war in germanischen Heldenepen - wie auch bei Homer - der dramatische Höhepunkt der unausweichliche Kampf zwischen zwei positiv gezeichneten Gestalten, nicht ein Konflikt zwischen einer Lichtgestalt und einem Finsterling. Es ist also außerordentlich bedauerlich, dass die Helgaquiða Hundingsbana den Konflikt zwischen Helgi und Hunding sowie die ihn erzwingende Vorgeschichte nicht schildert.


Fußnoten:

(1) Dieser hält, wie er vielfach geäußert hat, die Texte der sogenannten "Älteren Edda" sowohl für frei von christlichem Einfluss aus auch für eine Art göttlicher Offenbarung. Hier ist gewiss nicht der Ort, sich mit Nemenyis Extrapolationen im Einzelnen zu befassen. Wir werden aber auf die Thematik christlichen Einflusses auf unsere Quelle zu sprechen kommen. Dabei wird sich ganz nebenbei erweisen, wie das Fundament beschaffen ist, auf dem Nemenyis Lehre beruht.
(2) Bei der Angabe der Originalstellen besteht ein Problem: Ich kann zwar das edh (ð) und das thorn (þ) hier wiedergeben, nicht aber das dumpfe altisländische o (Ranke, Friedrich/Hoffmann, Dietrich: Altnordisches Elementarbuch, Berlin 1988, S. 28). Dadurch ist eine große Anzahl an Schreibfehlern schlicht unvermeidbar.
(3) Eine Funktion als wissenschaftlicher Berater bei unsäglichen Medienerzeugnissen wie "Sturm über Europa" oder medialen Neo-Hagiographien Karls des Großen dient nicht dazu, der Inkompetenz der Laien abzuhelfen. Diese Erzeugnisse sind das Pendant einer gewissen Tageszeitung mit sehr großen Überschriften und durchaus dieses Geistes. Es steht mir zwar nicht zu, akademischen Titelträgern Ratschläge zu erteilen, aber gerade wenn es um die Würde der Wissenschaft gehen soll, wäre es vielleicht gut, zu prüfen, wem man Zuträgerdienste leistet.
(4) Nicht etwa in einer "Burg", wie Simrock übersetzt - Neckel, Gustav: Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern, Heidelberg 1927, S. 126. Man muss Simrock ständig auf die Finger sehen. Seine Übersetzung spielt in einer Art Märchenland und nicht im germanischen Altertum, wie es Isländer im Mittelalter sahen.
(5) Tatsächlich: skop. Skop norna (Fáfnismál 44,8) steht in einem anderen Eddalied für "Fügung der Nornen". Eine Erörterung der "Prophezeiung" - es handelt es sich nicht um eine lediglich verkündende, sondern eine gestaltend-formende Handlung - sowie der Identität der "Nornen" in unserem Eddalied wäre hochinteressant, führt uns hier aber leider zu weit.
(6) Neckel, Gustav: Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern, Heidelberg 1927, S. 126, 2,5
(7) Neckel, Edda, S. 126, 3 und 4., von mir etwas verkürzt wiedergegeben. Die Schicksalsfäden (ørlogþátto) sind keine Metapher.
(8) Neckel, Gustav: Edda, Bd. II, Kommentierendes Glossar. Heidelberg 1936, S. 84


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